Es bahnen sich dutzende Krebsmedikamente auf den Markt an. Die Nachfrage ist riesig, der Nutzen jedoch mehr als fraglich. Wer profitiert? Nun ja nicht der Krebspatient. Jetzt wehren sich Ärzte. Denn die astronomischen Preise dieser Präparate gefährden das Gesundheitssystem.
Die Tumore von Jutta Befehlt waren einfach „Weg’’
’’Mensch, Frau Befeld“, sagte der Doktor zu seiner Patientin, „das ist ja wie ein Wunder.“
Vier Jahre war es her, dass Jutta zum Arzt gegangen war, weil sie sich oft merkwürdig schlapp fühlte. Es kam heraus, dass Jutta, die nie auch nur eine Zigarette geraucht hatte, einen Lungenkarzinom hatte. Etwa 90 Prozent der Betroffenen sterben in den ersten fünf Jahren nach der Diagnose.
Die Ärzte handelten sofort. Ein Viertel ihres Lungenflügels wurde heraus operiert. Danach hatte sie jedoch Metastasen in der ganzen Lunge. Jutta Befeld machte ein halbes Jahr lang Chemotherapie. Die Haare fielen ihr aus, sie musste sich täglich übergeben – doch der Krebs blieb.
In dieser Verzweiflung hoffte sie auf eine Heilung durch Medikamentenversuche:
Iressa ist nur einer von mehreren neuartigen Wirkstoffen gegen Krebs, die Pharmafirmen in den vergangenen Jahren auf den Markt gebracht haben. Die Präparate – meist Antikörper oder, wie Iressa, Enzymhemmstoffe – attackieren molekulare Ziele und sollen auf diese Weise Krebszellen abtöten.
Der tatsächliche Nutzen der meisten Mittel ist sehr anzuzweifeln, die Wirksamkeit ist schlecht belegt – umso gewaltiger aber sind die finanziellen Nebenwirkungen:
Mit der Skrupellosigkeit von Börsenspekulanten nutzen Pharmakonzerne ein Schlupfloch auf dem deutschen Markt. Weil es für die neuen Krebsmittel nichts Vergleichbares gibt, dürfen Hersteller den Preis nach Gutdünken festlegen – zahlen müssen ihn die Krankenkassen. So kostet das Lungenkrebsmittel Iressa mehr als 42000 Euro im Jahr – pro Patient. Für das Darmkrebsmedikament Avastin, das inzwischen auch für Brust-, Lungen- und Nierenkrebs zugelassen ist, sind es rund 55 000 Euro. Und für Revlimid gegen Kno- chenmarkkrebs werden jährlich sogar mehr als 100 000 Euro fällig.
Den meisten Krebspatienten helfen die überteuerten Medikamente nicht.
Weltweit kosteten die Krebsmedikamente im Jahr 2008 ca. 48 Milliarden Dollar. In zwei Jahren darauf schon 75 Milliarden.
”Kein Wunder, dass immer mehr Firmen bei dieser ganz legalen Ausplünderung des Gesundheitswesens dabei sein wollen. 180 Firmen profitieren durch die Krebsmedizin.”
Gerd Glaeske, Gesundheitsökonom an der Universität Bremen, will den Wucher nicht länger dulden. „Es kann nicht sein“, sagt er, „dass die Hersteller die Preise für Medikamente diktieren, deren Nutzen noch gar nicht abschließend erwiesen ist. Zulassungsstudien nämlich sind von den Herstellern finanziert, wurden an ge- schickt vorsortierten Patientengruppen durchgeführt und sind oftmals Lehrstücke für medizinische Zahlentricks.
Es ist einfach nicht bewiesen, ob die Medikamente das Leben von Krebspatienten auch nur einen Tag verlängern. So messen die Pharmaforscher häufig nur, ob der Tumor eine gewisse Zeitlang gestoppt wird. Medizinstatistiker nennen das „progressionsfreies Überleben“. Letztendlich sterben die Patienten gleich schnell, oftmals haben die Patienten, die sich der Krebstherapie unterziehen, jedoch einen langen Leidensweg bis zur Erlösung.
„Das Geschäft ist die Hoffnung“, sagt Lili Grell, Leiterin der bundesweiten Arbeitsgruppe Arzneimittel der Medizinischen Dienste der Krankenkassen.
Nach Zahlen des GKV-Spitzenverbandes sind die Kosten um rund 50 Prozent gestiegen. Mehr als sieben Milliarden Euro im Jahr 2018. Und das nur für Deutschland. Jetzt stellen Sie sich mal vor, wie viel Geld weltweit mit Krebsmedikamente verdient wird, und wie viele Menschen immernoch an Krebs bzw. an den Folgen der Therapie sterben.
Den Kranken bleibt deshalb oft nichts anderes übrig, als selbst zu erkennen, wann Schluss ist.